Als ich vor über 20 Jahren Lehramt studiert habe, war das damals schon selbst 20 Jahre im Umlauf befindliche Buch des Lehrerehepaars Grell „Unterrichtsrezepte“ immer wieder Stein des Anstoßes für intensive didaktische Erörterungen seitens verschiedenster Professoren. Für mich als junger Lehreamtsstudent erschienen die Gegenargumente für „Rezepte“ in der Unterrichtsplanung damals sehr schlüssig. Nach nun 20 Jahren Berufserfahrung und insbesondere auch nach ein paar Jahren in der LehrerInnenbildung sehe ich das doch sehr viel differenzierter.
In der Vorbereitung eines Workshops zu den didaktischen Grundüberlegungen für ein gelingendes Hybridmodell wurde mir sehr schnell sehr deutlich, dass es viele dieser rezeptartigen Überlegungen gibt und diese zum einen meist die planerische Grundhaltung der konstruktivistischen Didaktik einnehmen und zum anderen sehr viele Ideen und Methoden bereitstellen, die den Handlungsspielraum, aber auch die Überlegungen zur Leistungsbeurteilung im Unterricht enorm erweitern.
Im Schaubild aus Reich, K.: Konstruktivistische Didaktik. 2008 wird zwar ein wenig plakativ aufgezeigt, wo der Unterschied zum klassischen Unterricht zu finden ist. Gerade für das sog. „Homeschooling“ kann dieser Ansatz jedoch wichtige Impulse zur Strukturierung des „hybriden“ Unterrichts bieten. Lernende am Prozess zu beteiligen, mit konkreten und prozessbegleitenden Feedback-Instrumenten das Lernen und die Motivation aufrechtzuerhalten und Lernenden die Möglichkeit zu geben Ihre Produkte angemessen zu präsentieren sind Herausforderungen, die wahrscheinlich vor Ort mit dem Blick auf eine gesamte Gruppe angenehmer umzusetzen sind, aber auch über Distanz möglich gemacht werden können. Die fehlende Dynamik einer Schulklasse ist eines der zentralen Probleme des vergangenen Lockdowns gewesen, so berichten LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen mit welchen ich gesprochen habe. Vielleicht können Überlegungen, wie sie im Hackathon #wirfürschule entstanden sind hier für Impulse sorgen.
Für meine eigene Planung des hybriden Unterrichts habe ich in den vergangenen Wochen Materialien und Praxisbeispiele – evt auch Rezepte – gesucht, die mir eine Basis für meinen eigenen hybriden Unterricht geben können. Das Gefühl die Planung immer noch weiter zu optimieren zu müssen und ein Ende prinzipiell nicht sichtbar zu haben, hat mich zeitweise ein wenig zermürbt, jedoch habe ich vor 20 Jahren das „Formative Qualitätsselbstevalutations“ Instrument des Dachverbandes der Schweizerische LehrerInnen betrachtet und dabei zwei Grundpositionen als herausragend empfunden, die meiner Ansicht nach auch für die derzeitige Situation gelten:
- Entscheidend für das Gelingen ist die Haltung der Beteiligten.
- Das System Schule kann sehr gut mit Störungen umgehen.
(frei und gekürzt nach Dr. Anton Strittmatter)
Der zweite Punkt macht mir immer wieder deutlich, dass es in Ordnung ist, auszuprobieren, denn letztendlich ist Lernen ein individueller Prozess.
Als Grundlage für die Planung meines hybriden Vorhabens habe ich wieder zur – oben schon erwähnten – Konstruktivistischen Didaktik gegriffen, die (damals noch in CD-Form) einen Methodenpool mit an Bord hat.
Abrufbar unter: http://methodenpool.uni-koeln.de/
Ebenfalls als absolute Grundlage war und ist: Fadel C., Bialik M., Trilling B.: Die vier Dimensionen der Bildung. 2015 https://zll21.de/verlag/4dedu/
In diesem Buch werden insbesondere die Skills der Zukunft thematisiert und leicht verständlich aufgearbeitet.
Um anderen Kollegen bei Ihren Best-Practice Planungen über die Schulter zu schauen, war das Buch von Jöran Muuß-Merholz sehr wichtig: https://www.joeran.de/jra093-buch-digitale-schule/ , wo 10 verschiedene KollegInnen Ihren Weg mit digitalen Medien aufzeigen.
Für das Distanzlernen werden derzeit enorm viele Publikationen veröffentlicht. Sehr interessant und mit viel Engagement, bzw. durch inspirierende Teamarbeit entstanden ist das Buch von Kantereit T.: Hybrid-Unterricht 101. Ein Leitfaden zum Blended Learning für angehende Lehrer:innen. 2020
Dieses Buch ist im #twitterlehrerzimmer entstanden und zeigt die Möglichkeiten einer digitalen Teamarbeit am eigenen Beispiel deutlich auf. https://visual-books.com/hybrid-unterricht-101/
Als Ideengeber – auch für das Land NRW – tritt in meinem persönlichen Lernnetzwerk immer wieder Axel Krommer @mediendidaktik in Erscheinung. https://www.schulministerium.nrw.de/themen/recht/schulgesundheitsrecht/infektionsschutz/impulse-fuer-das-lernen-auf-distanz
Ergebnisse aus dem Hackathon #wirfürschule:
Die hybride Klassengemeinschaft – mit einer sehr umfangreichen Sammlung von Methoden im hybriden Unterricht – https://devpost.com/software/whitpaper-hybrider-fernunterricht
Es gibt sehr viel gute und lesenswerte Literatur zur Veränderung des Lernens in hybriden Lernsettings. Für mich entscheidend ist, dass wir nicht nur den coronabedingten Lockdown überstanden haben und evt noch überstehen müssen, sondern dass wir beginnen Lernen und Lehren wieder neu zu denken und uns in unserem Tun immer wieder hinterfragen.
Präsentation zur online-Session für das Medienzentrum Soest:
https://app.box.com/s/8378rk2prdonfprbwne8hd946nyvhs1z